Darf zur Bestimmung von Barabfindung und Ausgleichszahlung auf den Börsenkurs zurückgegriffen werden, wenn der nach betriebswirtschaftlichen Methoden ermittelte Fundamentalwert höher ist? Kritische Anmerkungen zum „STADA“-Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main
Seit jeher neigt das Landgericht Frankfurt am Main dazu, maßgeblich auf den Börsenkurs zurückzugreifen. Noch einen Schritt weiter geht das Gericht nun in seiner STADA-Entscheidung vom 27. Juni 2019 (Az. 3-05 O 38/18). Danach soll der Börsenkurs auch dann maßgeblich sein, wenn der nach betriebswirtschaftlichen Methoden (hier nach dem Ertragswertverfahren) ermittelte Fundamentalwert höher ist; auch soll für die Bestimmung des Ausgleichs auf den Börsenkurs zurückgegriffen werden dürfen. Damit betritt das Landgericht Neuland, weswegen es ausdrücklich die Beschwerde zugelassen hat.
Thema Barabfindung
Die allgemeine Kritik gegen das alleinige Abstellen auf den Börsenkurs, insbesondere die laut Fama nur unzureichende Informationseffizienz, ist nicht Thema dieses Beitrags.
Stattdessen übt der Autor Kritik an der Entscheidung, weil der Hauptaktionär selbst den Börsenkurs als untauglich beurteilt und deshalb den Beta-Faktor aus einer Peer Group abgeleitet hat. Stellt man in dieser Situation allein auf den (niedrigeren) Börsenkurs ab, gleicht dies der vielberühmten „Rosinenpickerei“. Entsprechend lehnt auch das für die Beschwerde in diesem Fall zuständige Oberlandesgericht Frankfurt am Main in ständiger Rechtsprechung ein alleiniges Abstellen auf den Börsenkurs ab, wenn der unternehmenseigene Beta-Faktor nicht geeignet ist, das operative Risiko des Bewertungsobjekts zutreffend abzubilden (OLG Frankfurt am Main vom 26. Januar 2017 – 21 W 75/15; OLG Frankfurt am Main vom 5. Dezember 2013 – 21 W 36/12).
Schon deshalb bleibt abzuwarten, ob die Entscheidung des Landgerichts Bestand haben wird. Hinzu kommt, dass der Hauptaktionär selbst den nach betriebswirtschaftlichen Methoden ermittelten Fundamentalwert der Gesellschaft höher beurteilt, wohingegen die Rechtsprechung den Börsenkurs bisher nur als Wertuntergrenze beurteilt hat.
Thema Ausgleichszahlung
Die Bestimmung des festen Ausgleichs auf Basis des Börsenkurses verstößt gegen den Wortlaut des Gesetzes. Denn gemäß § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG ist als Ausgleichszahlung mindestens die jährliche Zahlung des Betrags zuzusichern, der nach der bisherigen Ertragslage der Gesellschaft und ihren künftigen Ertragsaussichten voraussichtlich als durchschnittlicher Gewinnanteil auf die einzelne Aktie verteilt werden könnte.
Der Ausgleich dient als Surrogat zukünftiger Dividenden. Entsprechend geht die herrschende Lehre davon aus, dass Börsenkurse, jedenfalls beim festen Ausgleich, keine Bedeutung haben: „Börsenkurse haben hier (anders als beim variablen Ausgleich und bei der Abfindung) keine ausschlaggebende Bedeutung, weil es auf Ertragskraft und nicht auf deren Ausdruck in Börsenbewertung ankommt.“
Das deckt sich nicht nur mit der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, sondern auch der des Bundesgerichtshofs: „Soweit das Bundesverfassungsgericht eine Berücksichtigung des Börsenkurses der Aktien auch im Rahmen des § 304 AktG gefordert hat, betrifft dies nur das Umtauschverhältnis im Rahmen des variablen Ausgleichs gemäß § 304 Abs. 2 Satz 3, 4 AktG, nicht jedoch den festen Ausgleich gemäß § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG.“
Hebt das Oberlandesgericht die Entscheidung des Landgerichts nicht auf, wird der Fall wohl vor den Bundesgerichtshof getragen werden.