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Die Fähnlein im Wind – Wie Prüfer ihre Bewertungsauffassungen dem Willen von Hauptaktionären unterordnen

Zum Schutz der Interessen außenstehender Aktionäre (Minderheitsaktionäre) verlangt das Gesetz in Fällen dominierter aktienrechtlicher Strukturmaßnahmen (Abschluss Unternehmensverträge, Verschmelzung, Ausschluss von Minderheitsaktionären usw.) die Prüfung der von Hauptaktionären angebotenen Kompensationen.

Immer wieder fällt dabei auf, dass von einer wirklich unabhängigen Prüfung und dem Schutz von Minderheitsinteressen keine Rede sein kann; stattdessen verkommt die gesetzliche Pflichtprüfung mehr und mehr dazu, die gesetzlich vorgeschriebene Beschlussdokumentation zu generieren. Bewertungsfragen, welche in einem Verfahren noch strikt abgelehnt werden, werden im nächsten Verfahren als „state oft the art“ beurteilt.

Davon etwa, dass der vom Gericht bestellte Sachverständige im Spruchverfahren betreffend den Squeeze-out der Minderheitsaktionäre der Rheinisch-Westfälische Kalkwerke AG und der Otto Reichelt AG jeweils eine Marktrisikoprämie in Höhe von 3,0 Prozent als angemessen beurteilt hat, will dieser heute nichts mehr hören.

Jüngstes Beispiel dieser unsäglichen Verdrehungen lieferten die (personenidentischen) Prüfer der STADA Arzneimittel AG und der Creaton AG: Hielten diese es bei STADA noch für angemessen, den Wachstumsabschlag für den Fall zu mindern, dass die Marktrisikoprämie in einer Szenariorechnung gesenkt wird, gaben sie bei Creaton in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll, dass eine solche Wechselwirkung zwischen Marktrisikoprämie und Wachstumsabschlag gar nicht besteht!

Das erinnert an die Fehlleistungen, welche der Prüfer der AXA Konzern AG und der Gerling Konzern Allgemeine Versicherung AG vollbrachte; während dieser bei AXA den von der Antragsgegnerin errechneten Ertragswert in Höhe von 4.201,5 Mill. Euro als angemessen beurteilte, gelangte der vom Landgericht Köln eingesetzte Sachverständige zu einem solchen in Höhe von 7.429,9 Mill. Euro – entspricht einer Differenz von mehr als 3,2 Mrd. Euro! Im Fall von Gerling hatte derselbe Prüfer einen Unternehmenswert in Höhe von 1.054,8 Mill. Euro als angemessen beurteilt; dagegen beträgt dieser laut gerichtlich eingeholtem Sachverständigengutachten 2.532,2 Mill. Euro – entspricht einer Differenz von 1.477,4 Mill. Euro bzw. 140 Prozent!

Solches Fehlverhalten wirft notwendig die Frage nach dem Sinn gesetzlicher Pflichtprüfungen, nach der Glaubhaftigkeit von Prüferfeststellung und deren Glaubwürdigkeit auf. Die Erwartung des Bundesgerichtshofs an die gesetzliche Pflichtprüfung aktienrechtlicher Strukturmaßnahmen, „dass es im Spruchverfahren im Regelfall nicht zu erheblichen Mehrbeträgen kommen wird“ (BGH vom 25. Juli 2005 – II ZR 327/03), hat sich jedenfalls nicht erfüllt.

Daher sollte die Pflichtprüfung durch gerichtliche Prüfungen der Angemessenheit der angebotenen Kompensationen ersetzt werden, welche sich ggf. auf unabhängige Sachverständigengutachten stützen. Diese haben den Vorteil, dass Absprachen zwischen Hauptaktionären und Gutachtern gesetzlich verboten sind und im Falle des Verstoßes zur Befangenheit von Sachverständigen führen. Mehrkosten entstehen dadurch nicht, weil sich die Kosten der Pflichtprüfung und der ggf. punktuellen sachverständigen Begutachtung aufheben.